Viele Menschen, die mit psychischen Erkrankungen leben – sei es Borderline, Depression (…) – lernen schnell, sich eine Fassade zu bauen, eine Maske überzustreifen, die alles zu verbergen scheint. Nach außen hin wirken sie ruhig, gefasst, manchmal sogar glücklich, doch tief im Inneren schreit etwas so laut, dass es den Lärm der Welt übertönt. Manchmal ist dieses innere Chaos so allumfassend, dass es schwerfällt, Gesprächen zu folgen, als ob man durch dichten Nebel schreitet, während alle anderen in klarem Sonnenlicht stehen.
Für mich ist Mode in den letzten Jahren zu einer Rüstung geworden, einer Art unsichtbarem Schutzschild, hinter dem ich mich verstecke. Ein grelles pinkes T-Shirt, leuchtende blonde oder rosa Haare, übertriebener Schmuck oder eine funkelnde Uhr – all diese Dinge, selbst die auffälligsten Sneaker, trage ich nicht einfach nur so. Sie sind bewusst gewählt, zwar meist impulsiv im Hoch gekauft, tun die alle dasselbe: Sie lenken ab. Die Menschen um mich herum sehen nur das Bunte, das Schrille, den Lustigen. Sie fragen zwar, wie es mir geht, haken aber nicht tiefer nach. Stattdessen denken sie: „Der muss doch voller Selbstbewusstsein sein, wenn er so etwas trägt.“ Aber das ist nur eine Illusion, eine Fassade, die ich mühsam aufrecht erhalte, weil sie mir hilft, die tiefen Wunden zu verstecken.
Doch diese Strategie ist zehrend. Sie kostet unendlich viel Kraft. Es gibt Tage, da schaffe ich es einfach nicht mehr, diese Rüstung anzulegen. An solchen Tagen bleibe ich lieber zu Hause, verstecke mich in meiner eigenen Welt, weil ich keine Energie habe, das Schauspiel aufrechtzuerhalten. Und so stark die Rüstung auch aussehen mag, sie ist brüchig, instabil. Ein einziges Wort, ein flüchtiger Blick, ein unerwartetes Gefühl können genügen, um sie zum Einsturz zu bringen. Dann bleibe ich wieder alleine zurück, sage Treffen ab – immer wieder entschuldigend, immer wieder beschämt.
Oft zwingt einen aber auch das Leben da draußen, diese Maske zu tragen. Wie soll man jemandem erzählen, dass man kurz zuvor noch blutend im Zimmer stand, den Körper von Schnitten übersät, und gleichzeitig versuchen, eine normale Konversation zu führen? Gerade wenn es der anderen Person auch nicht so gut geht. Wie soll man eine Beziehung aufrechterhalten, wenn man in solchen Momenten so tief in der Dunkelheit versinkt?
Auf lange Sicht kann das nicht gut gehen. Wenn man sein wahres Ich nur hinter verschlossenen Türen, in den geschützten Räumen einer Klinik oder bei einer Therapeutin zeigen kann, verliert man sich selbst. Besonders dann, wenn die eigene Seele zerfällt, während alle um einen herum lächelnd behaupten, man mache gerade große Fortschritte. Es ist ein schmaler Grat zwischen dem Bedürfnis, endlich die Wahrheit zu sagen, der Angst vor Verurteilung, der lähmenden Scham, dem Drang, andere zu schützen und dem verzweifelten Versuch, alle davon zu überzeugen, dass "alles okay ist".
Manchmal bin ich erstaunt, wie selbst Menschen, die mir nahestehen, dieser Maskerade glauben schenken. Vielleicht liegt es daran, dass sie selbst nicht den Mut haben, hinter die Fassade zu blicken. Vielleicht haben sie Angst, das Dunkel zu sehen, das ich so mühsam verberge.