Als ich mich dazu entschied, das 10-wöchige DBT-Programm an der LMU auf der Station B3 zu absolvieren, war ich zugegeben voller Unsicherheit und Zweifel – was auch daran lag, dass ich im Jahr zuvor erst den Therapieansatz nach CBASP in einem Programm durchlaufen habe - Verhaltensweisen und Problemverhalten sich kurzfristig gar verschlechtert haben.
Doch nach Jahren des Ringens mit meinen Emotionen, den schädlichen Verhaltensweisen und dem Fassade nach außen aufrecht erhalten, wollte ich einen neuen Versuch wagen – mit dem Ziel, mich endlich besser zu verstehen und zumindest einen Teil meiner Probleme anzugehen - auch getragen durch die Hoffnung, die meine ambulante Therapeutin in DBT hatte, der ich vollkommen vertraue und deren Meinung ich über alles schätze.
Kurzer Exkurs: Die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) wurde ursprünglich von Marsha M. Linehan entwickelt und richtet sich primär an Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung. Die DBT kombiniert verhaltenstherapeutische Techniken mit achtsamkeitsbasierten Methoden und zielt darauf ab, emotionale Instabilität und impulsives Verhalten zu regulieren. Ein zentraler Bestandteil der DBT ist das Erlernen sogenannter „Skills“, also Fertigkeiten, die dabei helfen sollen, unangemessene Verhaltensweisen durch funktionalere zu ersetzen. Die DBT besteht aus mehreren Modulen, darunter Achtsamkeit, Stresstoleranz, Emotionsregulation und zwischenmenschliche Fertigkeiten.
Was mich direkt positiv überrascht hat, war die relativ kurze Wartezeit. Ich hatte oft gehört, dass man Monate auf einen Platz bei einer DBT-Therapie warten muss. Bei mir waren es nur etwa vier Wochen, was wohl auch damit zu tun hatte, dass ich als Mann einen Platz in einem Männerzimmer bekommen konnte, während die Warteliste für Frauen deutlich länger war. Sprich, mal wieder hatte ich mehr Glück als ich vielleicht verdient habe.
Die Vorgespräche haben mir von Anfang an ein Gefühl von Verständnis und Unterstützung gegeben. Das Team auf Station B3 der LMU war durchweg freundlich und vor allem nicht wertend. Es fühlte sich so an, als sei dort wirklich jeder darauf bedacht, den Patienten in ihrer individuellen Situation zu helfen – ohne dabei vorschnelle Urteile zu fällen. Man spürt sofort, warum es nur wenige DBT-Patienten zur gleichen Zeit in Behandlung gibt: Die Pflegekräfte, Therapeuten und Ärzte investieren viel Zeit und Energie in die persönliche Betreuung, was für mich einen großen Unterschied gemacht hat.
Das Therapieprogramm selbst ist intensiv. Zwei Einzeltherapien pro Woche, zahlreiche Ergotherapien, Bewegungstherapie, Achtsamkeitstraining und natürlich die DBT-Gruppentherapien – das alles erfordert eine stabile Basis und die Bereitschaft, sich wirklich auf die Therapie einzulassen. Besonders die Ergotherapie war für mich ein spannender Teil des Programms. Anders als man es vielleicht von klassischer Ergotherapie erwarten würde, war es hier oft ein Raum, in dem wir als Gruppe gemeinsam an Projekten arbeiteten. Zum Beispiel haben wir eine Übersicht über DBT erstellt, die zukünftigen Patienten als Orientierung dienen könnte.
Das Hauptziel des Programms war es, problematische Verhaltensweisen zu identifizieren, zu analysieren und Wege zu finden, sie zu unterlassen. Diese Verhaltensweisen sind natürlich individuell – für manche sind es selbstverletzende Handlungen, für andere könnten es riskante Verhaltensweisen wie zu schnelles Fahren sein. Oder beides. Was mich überraschte, war nicht unbedingt der Aufwand, den wir in das Protokollieren unserer täglichen Spannungen, Diary Cards oder Verhaltensanalysen stecken mussten. Vielmehr beeindruckte mich, dass jedes dieser Dokumente auch tatsächlich mit dem Team besprochen wurde. Nichts wurde übersehen, und das Team sprach sich regelmäßig ab, um sicherzustellen, dass alle relevanten Themen zur Sprache kamen.
Leider habe ich es nicht geschafft, das gesamte 10-wöchige Programm durchzuhalten. Die stabile Basis, von der ich anfangs gesprochen habe, war bei mir mit der Zeit weniger gegeben, was nicht nur mich, sondern auch das Team auf der B3 an seine Grenzen gebracht habe. Die Enttäuschung über mich selbst und die Welt hat die Zeit nach dem stationären Aufenthalt geprägt. Trotzdem nehme ich mit Abstand viel aus dieser Zeit mit. Mein problematisches Verhalten ist nicht verschwunden, aber es ist deutlich besser geworden.
Besonders die Begegnungen mit den anderen Patienten haben mich bewegt. Es war faszinierend zu sehen, wie unterschiedlich wir alle waren, und doch gab es immer wieder diese verbindenden Momente. Wir haben gemeinsam gelacht, über unsere Schwierigkeiten gescherzt, aber auch ernst miteinander gesprochen. Diese Atmosphäre, dieses Gefühl von Gemeinschaft und Verständnis, findet man nur selten.
Was ich vor allem gelernt habe, ist, dass ich ein Meister im Vermeiden von emotionalen Situationen wie Streitgesprächen und kleinen Konflikten und ebenso im Unterdrücken von Emotionen bin. Vor allem Trauer lasse ich oft nicht zu, sondern verberge sie hinter einer sekundären Emotion – Wut, die sich meist gegen mich selbst richtet. Dieses Bewusstsein hat mir geholfen, die ersten kleinen Schritte zu machen. Auch wenn diese Erfolge noch winzig erscheinen und es mir schwerfällt, übermäßig positiv zu sein, glaube ich doch daran, dass das DBT-Programm auf lange Sicht wirklich hilfreich sein kann. Besonders das Programm an der LMU, das mir gezeigt hat, dass ich auf diesem Weg nicht allein bin.
Für mich ist die Reise hoffentlich noch nicht vorbei, aber sie hat einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht. Und dafür bin ich dankbar, auch wenn ich das dem Team auch vor Ort am Ende nicht immer zeigen konnte. Und mir von mir selbst gewünscht hätte, ich hätte nicht alle Therapien nur mitgemacht und a la meines eigenen Anspruchs alles doppelt und dreifach erledigt hätte, sondern mehr gefühlt und mehr Veränderungen zugelassen. Aber die Zeit wird das hoffentlich bringen!